Die beste Zeit im Jahr

Rasant fing es an, schnell war es wieder vorbei. Das durchgetaktete Cup-Wochenende mit all seinen kleinen und grossen Geschichten neigte sich gestern dem Ende zu. Warum man in Basel plötzlich Spezialitäten aus dem Wallis auftischt und warum der FC Iliria sich über sein Tor nicht richtig freuen kann.

Um die erste Cuprunde zu beschrieben, braucht man eigentlich nur ein einziges Bild. Gemacht wurde dieses spezielle Bild am Samstag von Keystone-Fotograf Salvatore Di Nolfi in Pully. Darauf zu sehen ist die in die Westschweiz mitgereiste Muttenzerkurve: Männer mit nacktem Oberkörper, geballte Fäuste, schreiende Münder, wehende Fahnen – die komplette Ladung Testosteron. Nichtsdestotrotz fällt der Blick des Betrachters sofort auf die einzelne Gestalt vor der Kurve. Nur wenige Zentmeter von von ihr entfernt steht Valentin Stocker. Aufrecht und doch zart, das komplette Gegenteil von all dem. Für einmal ohne Netz und doppelten Boden sieht er sich mit dieser Truppe konfrontiert – die ihm trotz so vieler vergebenen Chancen an diesem Nachmittag wohlgesinnt ist.

Letztlich bleibt den Titelverteidigern ja auch nichts anderes übrig. Nachdem bei Basel die Hiobsbotschaften nicht abzureissen scheinen, klammert man sich an jeden Spieler, der ein paar Meter vernünftig geradeaus laufen kann.

Denn es sollte für den FCB nur zwanzig Minuten nach dem 1:0 erneut brenzlig werden: Kurz vor der Pause wird Raoul Petretta wegen eines Handspiels vom Platz verwiesen. Die freche Heimmannschaft aus Pully, welche die ihr durch den Penalty verliehene Chance zum Ausgleich nutzt, ist plötzlich wieder im Spiel. Und obwohl der FC Basel trotz Unterzahl in der zweiten Spielhälfte gleich dreimal einnetzt, will man diese mutigen Waadtländer zu keiner Zeit so richtig abschreiben. Nicht nur neben dem Platz, sondern auch auf dem Feld verwischen die Grenzen im Cup schnell.

Vermeintlichen Grenzen werden vergessen

Das muss auch Meister YB am Freitag am eigenen Leib erfahren. Für die Berner läuft es nicht wie gewünscht. Gegen Etoile Carouge bleibt der erhoffte Torregen aus. Jean-Pierre Nsame erzielt den einzigen Treffer des Abends. Besser wird es danach nicht mehr, doch die Young Boys sind mit diesem Schicksal nicht alleine. Die Underdogs wollen mit aller Macht die Sprachbarriere überwinden, tischen wie in Allschwil sogar Spezialitäten aus dem Kanton des Gastes auf, doch auf dem Feld schenken die Aussenseiter den grossen Vereinen nichts.

So verlässt auch die Basler nie der Mut. Obwohl der FC Allschwil zuvor zehn Gegentreffer erleiden musste, folgt kurz vor Schluss der Ehrentreffer, der alles andere auf einmal wiedergutmacht. Die Freude darüber lässt auch in Allschwil alle Beteiligten die vermeintlichen Grenzen vergessen. Sions Anto Grgic jubelt gar mit dem Torschützen mit, sein stolzer Trainer hat hingegen nur noch Gänsehaut. Von Concordia Basel bis nach Mutschellen oder Cham zählt meist nicht das Resultat an sich, sondern viel mehr die Freude am Cuperlebnis. Vermeintliche Kleinigkeiten wie vereinzelten Tore oder erstaunlichen Paraden werden frenetisch bejubelt.

Es treffen Welten aufeinander

Nur einer kann damit nicht so recht umgehen. Als ein Verteidiger des FC Iliria aus Solothurn gegen das grosse Lausanne einen Treffer erzielt, weiss er zuerst gar nicht, wie er diesen denn nun angemessen zelebrieren soll. Dass Mannschaften aus der Super League für einmal auf Lehrer, Bauarbeiter oder Verkäufer treffen, wirbelt die in den sonst so gewohnten Bahnen verlaufende Fussballwelt gehörig durcheinander. Auf einmal finden sich die Stars zum Anfassen –  ja, gar umgrätschen –  auf den kleinen Fussballplätzen des Landes wieder. Es treffen Welten aufeinander, wenn St. Gallen von Bergen umgeben in Monthey spielt oder der FC Zürich in der Spielstätte der Black Stars über den dürftigen Rasen stolpert und sich dort zu allem Übel auch fast noch blamiert.

Doch zugleich entstehen auch Bilder und Geschichten, die sich bei den Beteiligten für immer im Gedächtnis einbrennen werden. Wenn Allschwil seinen Ehrentreffer wie einen Sieg feiert, wenn die Black Stars bemerken, dass die Gäste aus Zürich doch nicht so schrecklich sind. Stocker plötzlich ohne Netz oder Trennwand direkt vor der Muttenzerkurve steht und David gegen Goliath nicht mehr nur eine leere Floskel ist, dann ist Cup. Die beste Zeit im Fussballjahr.

Schweizer Cup, 1/32-Finals
Concordia Basel (2.) – Lugano 0:5 (0:2) Etoile Carouge (PL) – Young Boys 0:1 (0:0)
Black Stars Basel (PL) – Zürich 1:2 (1:1)
Echallens (1.) – Servette 0:6 (0:1)
Pully (2.) – Basel 1:4 (1:1)
Allschwil (2.i) – Sion 1:10 (0:6)
Monthey (2.i) – St. Gallen 1:4 (1:2)
Wetzikon (2.) – Meyrin (1.) 1:3 (0:1)
Wohlen (1.) – Wettswil-Bonst. (1.) 2:1 (1:0)
Red Star Zürich (1.) – Wil 1:3 (1:0)
YF Juventus (PL) – Winterthur 0:3 (0:2)
Altstätten SG (2.) – Bassecourt (1.) 1:3 (0:2)
R. Brienz (2.) – Sursee (2.i) 1:3 (0:0)
Seefeld Zürich (2.) – Grasshoppers 1:9 (1:2)
Bulle (1.) – Chiasso 2:1 n.V. (1:1, 1:1)
Muri (2.i) – Rapperswil-Jona (PL) 2:3 (0:1)
Perly-Certoux (2.) – LS-Ouchy 0:5 (0:1)
Rotkreuz (2.i) – Freienbach (2.i) 0:2 (0:0)
Saxon (2.) – Spiez (2.i) 2:4 (1:1)
Iliria Solothurn (2.) – Lausanne 1:6 (1:3)
Taverne (2.i) – Kriens 1:4 (0:1)
Gambar.-C. (2.i) – Bellinzona (PL) 0:5 (0:4)
Mutschellen (2.) – Nyon (PL) 0:3 (0:1)
Bernex-Confignon (2.i) – Thun 0:2 (0:0)
Calcio Kreuzlingen (2.i) – Luzern 0:2 (0:1)
Yverdon (PL) – Neuchâtel Xamax 1:2 (0:0)
Cham (PL) – Aarau 3:5 n.P. (1:1, 2:2)
Linth 04 (2.i) – Schaffhausen 3:1 (1:1)
Béroche (2.) – Olten (2.i) 5:4 n. P. (1:1, 0:0)
Escholzmatt-M. (4.) – Bavois (PL) 0:14 (0:6)
Schoenberg F. (2.) – O. Genève (1.) 1:5 (1:2)
Uster (2.) – Lancy (1.) 1:3 (0:1)

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