Die Welle

Die Freistellung von Thorsten Fink ist nur ein Teil der riesigen Entlassungswelle, welche die Super League in den letzten paar Jahren erfasst hat. Der Versuch einer Erklärung.

Vorgestern wurde Thorsten Fink entlassen. Gerne würde man nun schreiben, dass dies ein überraschendes Ereignis ist. Nur war es in diesem Fall leider absehbar und notwendig. Dazu kommt, dass Fink bereits der siebte Trainer ist, der in dieser Saison gehen musste. Spektakulär ist diese Meldung an sich also durchaus nicht, zumal sie bereits überall schon zur Genüge durchdiskutiert wurde.

Erwähnenswerter hingegen ist der allgemeine Trainerverschleiss in der Super League. Sieben Trainer sind es nun. Und das nach nur 23 gespielten Runden. Noch verheerender wirkt das Ganze, wenn man sich die Anzahl der Trainerwechsel in den letzten fünf Jahren verdeutlicht. Gesamthaft hat die Entlassungswelle seit der Saison 2014/15 ganze 43 Trainer erfasst. Rechnet man die Trainerwechsel nach Saisonende dazu, so sind es dann sogar 54. Für eine derart kleine Liga, in der sich seit und je immer wieder die gleichen zehn Teams tummeln, ist das eine schier unglaubliche Zahl.

Die Reise nach Jerusalem

Im Schnitt werden in der Super League pro Saison 8.6 Trainer entlassen, pro Verein macht das 0.86 Trainer. Urgesteine wie Arsène Wenger oder Alex Ferguson sucht man hier vergeblich. Oder zumindest findet man sie nicht auf immer dem gleichen Trainerstuhl sitzend vor. So werden viele Trainer zwar über Jahre hinweg von Verein zu Verein weitergereicht und schaffen es so, sich in der obersten Liga zu halten. Ein richtiges Einleben ist auf diese Art und Weise aber nur selten möglich. Und irgendwann ist selbst für die grössten Trainerlegenden kein Platz mehr frei.

Schnelllebige Ligen

Die schnelllebige und kritisch beäugte Liga bietet für Trainer kaum Raum für Wachstum und Entwicklung. Fehler werden nicht verziehen, sondern so bald als möglich bestraft. Damit bildet die Super League zwar keine Ausnahme. Im Vergleich mit den grossen Ligen wie der Bundesliga, Premier League, Serie A und La Liga schneidet die Schweiz trotzdem am schlechtesten ab:

Anzahl Entlassungenseit 2014/15:
LigaAnzahl VereineEntlassungen während laufendender SaisonWechsel gesamthaftWechsel gesamthaft (Ø pro Saison)Wechsel gesamthaft (Ø pro Verein)
Super League1043 (40*)5410.81.08
Bundesliga18426412.80.70
Premier League20557715.40.77
Serie A20568817.60.88
La Liga20659819.60.98

*exkl. Interimstrainer

Sinn und Unsinn von Trainerentlassungen

Nun möchte man sich doch die Frage stellen, ob und wie sich die Liga durch all die Trainerwechsel in der momentan laufenden Saison verändert hat. Dazu muss zuerst einmal aufgezeigt werden, welche Trainer denn nun überhaupt in die manchmal nicht so ewigen Jagdgründe geschickt wurden. Namentlich waren dies 2018/19 folgende Trainer: Fink, Weiler, Decastel, Abascal, Jacobacci und Frei/Wicky.

Betrachtet man die Entwicklung der Vereine nach den Entlassungen, so fällt das Urteil zumindest rein tabellarisch gesehen vernichtend aus. Die meisten Vereine wie Sion oder Xamax haben sich gerade einmal um einen Tabellenplatz verbessert, Lugano fiel sogar um zwei Plätze zurück. Einzig Basel hat sich dank Koller aus der zweiten Tabellenhälfte in Richtung Spitze hochgekämpft.

Der sehr frühe Wechsel verhalf Basel zu 2.17 Punkten pro Spiel, unter Wicky waren es im Schnitt nur 1.88 Punkte. Bei Lugano sieht es punktemässig definitiv nicht so rosig aus. Während es mit Abascal immerhin noch 1.42 PpS waren, so holte Celestini nur noch 1.19 PpS. Von einem gelungenen Wechsel kann hier kaum die Rede sein.

Auch Yakin, laut Constantin «der aktuell beste Trainer der Schweiz» vermag nur tabellarisch zu überzeugen. Zieht man hingegen den Punkteschnitt zur Beurteilung dazu, so liegt er knapp hinter dem bereits im September entlassenen Jacobacci. 

Rein statistisch gesehen, konnte also kaum ein Nachfolger die Liga auf den Kopf stellen und neu durchmischen.

Ein grosses Opfer – wenig Ertrag

Trainerwechsel bringen wie schon so oft erwiesen wurde meist keinen speziell positiven Effekt hervor. Weder in der Super League noch in all den anderen Topligen. Für ein paar Punkte in den ersten paar Spielen wird so einiges geopfert. Was bleibt ist das leichte Zaudern, dass man beim Blick auf die hohen Abfindungssummen verspürt. Und ein schaler Nachgeschmack.

Warum also fühlen sich gewisse Vereine doch immer und immer dazu angetrieben, ihre Trainer zu wechseln? Und warum leistet sich gerade die Super League einen derartigen Negativrekord? Hier eine pauschale Antwort zu finden dürfte eine Mammutaufgabe sein.

Emotionen gegen blanke Zahlen

Obwohl es immer wieder diverse Analysten und Statistiker probiert haben. Der Fussball lässt sich leider nicht einfach so vermessen. Trainerwechsel haben die verschiedensten Gründe, oft geht es dabei um viel mehr als nur Punkte oder Tabellenplätze.

Manchmal ist ein Wechsel ein letztes Aufbäumen, eine Verzweiflungstat. Der Versuch, eine schon fast verlorene Saison noch irgendwie zu retten und einen Neustart hinzulegen – wie GC jetzt mit Stipic. In anderen Fällen ist eine Entlassung hingegen nur eine plumpe Machtdemonstration. Oder eine Reaktion auf Unstimmigkeiten im Verein. Schlussendlich ist es eben nie „nur Fussball“.

Gerade in einer kleinen Stadt im Kanton Wallis lässt man nicht immer nur die Vernunft walten, sich nicht von Statistiken und Zahlen beirren. Oft ist der Charakter eines Trainers eben doch wichtiger, als alles andere.                                                                         

Oder um den dortigen Herrscher zu zitieren:

«Trainer sind wie Melonen. Wenn du sie siehst von aussen, sehen sie alle mehr oder weniger gut aus. Aber sobald du sie geöffnet hast, haben sie nicht unbedingt den gleichen Geschmack.»(CC in Le Matin, 2008)

Eine Momentaufnahme oder typisch Schweiz?

Ein Grund für die vielen Wechsel in der Super League sind also sicherlich die Menschen selbst, die sich darin bewegen. Manch einer hat genaue Vorstellungen davon, wie sein Verein zu spielen hat. Dazu kommt der Fakt, dass die Liga nun einmal klein und überschaubar ist. Hier fällt alles sofort auf, dem kann sich kein Trainer entziehen.

Vielleicht ist die Entlassungswelle aber auch nicht so sinnbildlich für diese Liga wie gedacht, sondern nur eine Momentaufnahme, die bald wieder verblassen wird.

Und schlussendlich gilt auch hier: So wie der Fussball lassen sich auch die Schweizer nicht so leicht analysieren. Unsere Liga ist uns bleibt eben besonders, mit all ihren Stärken und ihren Schwächen.

Und zum Glück gibt es noch immer genügend mutige Trainer, die sich darauf einlassen.

Weitere Links:

https://sport.ch/superleague/185446/fink-macht-die-40-voll-so-viele-verschiedene-trainer-hat-die-super-league-in-den-vergangenen-jahren-gesehen
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/fussball-statistik-trainerwechsel-bringen-nichts-a-754907.html

Quelle Anzahl Trainerwechsel/PpS: Transfermarkt

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