Text: Larissa Gassmann, CH Media, 20. Juli 2019
Nach einer fünfjährigen Abstinenz kehrt der Basketball-Superstar Clint Capela zu seinen Wurzeln zurück. Der Genfer will viel zurückgeben – und kämpft gleichzeitig um die ihm bis jetzt in der Schweiz verwehrte Anerkennung.
Als Clint Capela im Türrahmen stehen bleibt, um die Anwesenden in der «Ecole des Vergers» in Meyrin zu begrüssen, verstummt das angeregte Gemurmel im Saal augenblicklich. Reduziert man das ganze Wesen des Basketballers nur auf eine blanke Zahl – sein Jahressalär bei den Houston Rockets –, so haben soeben 18 Millionen US-Dollar den Raum betreten.
Sein 2,08 Meter grosser Körper steckt in einem unauffälligen grau-weissen Windbreaker. Einzig die goldene Rolex an seinem Handgelenk verrät seinen Status. Das Uhrwerk scheint so golden und hell wie sein Stern, seit er vor einem Jahr einen mit 90 Millionen dotierten Fünfjahresvertrag bei den Rockets unterschrieben hat.
In Nordamerika lebt Capela den Traum aller Träume. Und ist nun doch zurück. Zurück in Meyrin, wo für ihn alles angefangen hat. Über den grossen Teich geflogen, mit Glamour im Gepäck und mit einer Mission.
Nachwuchsarbeit hat oberste Priorität
Seitdem bekannt wurde, dass der Superstar die Schweizer Nationalmannschaft in der Vorqualifikation für die Europameisterschaft 2021 unterstützen soll, steht die Basketballwelt der Schweiz ein wenig Kopf. Rund 30 Journalisten drängen sich um ihn. Für ein Land, in dem Basketball nur eine Randnotiz ist, ein paar Resultate, die ab und an in den kleinen Spalten der Zeitungen erscheinen, ist das viel.
Herrlich ruhig wirkt hingegen Clint Capela selbst. An oberster Stelle scheint für ihn nicht er, sondern der Nachwuchs zu stehen. Der erste Punkt auf der Tagesordnung ist das «Capela Geneva Camp», ein Trainingslager, in dem er die Jüngsten ein wenig von seinem Können profitieren lässt.
«Ich bin froh, das Ganze hier in Genf durchführen zu können», sagt er über den Ort, der ihn so sehr geprägt hat. Er schwärmt vom Engagement der Kinder, der optimalen Infrastruktur, der Entwicklung im Basketball hierzulande. All das hat den Mann erstaunt, von dem man meinen könnte, er habe in seinen 25 Lebensjahren eigentlich schon alles gesehen.
Schneller Erfolg, nachhaltige Arbeit
Spricht Capela vom Camp, das ihn an seine eigenen ersten Schritte in dieser Sportart erinnert, so wirkt er mehr wie der kleine Junge, der sich halt mal eben so dem Basketball verschrieben hat, weil er keine Fussballschuhe mehr in seiner Grösse finden konnte. Der eine wahnsinnig rasante Karriere hingelegt hat, als Sohn einer alleinerziehenden Fabrikarbeiterin plötzlich vom Glück geküsst wurde und nun auf seine zurückhaltende und scheue Art doch irgendwie alles überstrahlt.
Und wenn von Glück die Rede ist, so kommt auch sein Verein ins Spiel. Der grosses Verständnis zeigte, als plötzlich die Rückkehr in die Nationalmannschaft zum Thema wurde. «Die Houston Rockets waren immer offen für diesen Wunsch. Sie wissen, wie wichtig es für mich ist, für mein Land zu spielen und es zu repräsentieren», sagt Capela, dessen Antwort gleich auch die nächste Frage mitzieht.
Warum er sich erst jetzt zurückmelde, will ein Journalist von Capela wissen, der seit 2014 nicht mehr für die Schweiz aufgelaufen ist. «Es ist kompliziert», sagt Campela, bevor er zum ersten Mal ins Stocken gerät. Dann sinniert er darüber, wie schnell der Erfolg vorbei sein kann. In einer Liga, in der die grossen Löhne nur so auf die Spieler hereinprasseln – und die genau deswegen kaum einen Fehler verzeiht.
Der Traum von der NBA und dem grossen Geld
«Ich wollte zuerst in der NBA erfolgreich sein. Richtig ankommen», resümiert er letztlich. Obwohl der ganz grosse Erfolg mit den Houston Rockets bis jetzt noch ausgeblieben ist, scheint nun der richtige Zeitpunkt gekommen zu sein für den verlässlichen Center. Capela will viel zurückgeben – und kämpft gleichzeitig um die ihm bis jetzt in der Schweiz verwehrte Anerkennung. «Ich möchte Einfluss auf den Schweizer Basketballsport haben. Sodass sich die Menschen in der Schweiz nach dem Ende meiner Karriere an mich erinnern», sagt er.
Denn noch besteht Handlungsbedarf. Das Gesamtbudget der 12 Vereine in der heimischen «SB League» kommt wohl nur mit Ach und Krach an die Hälfte des Jahressalärs von Capela heran. Über die Hälfte seiner Kollegen in der Nationalmannschaft spielen unter diesen Bedingungen in der Schweiz. Manch einer davon wird während der NBA-Saison Spieltag für Spieltag mitten in der Nacht seinen Fernseher einschalten. Von der Reise über den grossen Teich träumen, während die Spiele über den Bildschirm flimmern.
Dieses Leben im Extremzustand ist für Capela Alltag. Einer, der bald wieder ruft. Doch vielleicht bleibt bis zu der Abreise von Capela etwas Glamour in der Schweizer Basketballwelt hängen.