Text: Larissa Gassmann, Bild: Alex Spichale, Badener Tagblatt, 14. April 2020
Die Badener Band Al Pride bleibt auch in Zeiten der Pandemie nicht leise. Mit «Spruce» wurde letzte Woche die neuste EP veröffentlicht. Wie die achtköpfige Band mit den Folgen der Coronakrise umgeht und warum man das Mini-Album am besten mit einem Fichtenbier geniesst.
Am schönsten klingt Al Pride live. Dann, wenn die tanzende Masse mit der achtköpfigen Band verschmilzt, die Grenze zwischen Publikum und Musikern verschwindet. Schwärmend beschreibt Sänger und Gitarrist Nico Schulthess die interaktiven Konzerterlebnisse.
Was früher eingehend zelebriert wurde, wirkt nun wie ein Ritual aus längst vergessener Zeit. Die Grenze, die irgendwann zwischen sanften Gitarrenklängen und Bläsern verschwand, ist wieder da. Das Coronavirus zieht Gräben zwischen Publikum und Musikern. Wo einst mit viel Getöse Mauern eingerissen wurden, steht heute Covid-19.
Eigentlich wäre auch dies ein schräg-schöner Albumtitel gewesen. Ein Wort, das wie für eine Indieband gemacht zu sein scheint. Aber eben auch eines, dass wohl kaum irgendwo Freude hervorruft. Gerade in der zurzeit gebeutelten Musikbranche nicht. Überall müssen während der Coronakrise Abstriche gemacht werden. Manchmal grosse, manchmal kleine. So kann «Spruce», das vor einer Woche erschienene Mini-Album der Badener Band, vorerst nur in den eigenen vier Wänden genossen werden.
Die Entwicklung soll weitergehen
Knapp eineinhalb Jahre lang wurde in Davos, Baden und im Tessin daran gearbeitet. «Im Gegensatz zu unserem letzten Album ‹Hallavara› entstand dieses Werk in mehreren Etappen», sagt Schulthess. Damals pilgerte die Band nach Schweden, arbeitete einen Monat lang am dritten und 2016 veröffentlichten Album.
Bis zu diesem Zeitpunkt wuchs die Gruppe ständig, zu den fünf bestehenden Mitgliedern kamen drei Bläser dazu. Diese wurden komplett ins Songwriting integriert, wirkten an allen Songs mit. Seither tourt die Band zu acht. «Wir sind mittlerweile noch mehr zusammengewachsen, eine interaktivere und energiegeladenere Band geworden. Das zeigt sich vor allem auf der Bühne. Ob unsere Musik besser geworden ist? Für uns fühlt es sich definitiv so an», sagt Schulthess.
Die Entwicklung soll mit der nun erschienenen und vier Songs umfassenden EP weitergehen. «Sober by Tomorrow», «Hunger», «Kalif Onya» und «Another Vibe» sind Konsumkritik, Melancholie und der Hunger nach mehr in einem. Nicht nur dem Namen nach die perfekte musikalische Untermalung in Zeiten der Pandemie. Und doch soll das Werk nicht auf die aktuelle Lage der Welt reduziert werden, gegen deren Begleiterscheinungen es ankämpft. So hat sich die Band bewusst gegen Streamingkonzerte entschieden. «Für uns bestehen Konzerte vor allem aus Interaktionen. Wir nutzen diese Zeit lieber, um uns mehr und mehr zurückzuziehen. Es kann sein, dass relativ bald schon wieder neues Material folgt», sagt Schulthess.
Der Kampf gegen die auferzwungene Distanz
Schliesslich sollen die unerwartet frei gewordenen Tage optimal genutzt werden. Geprobt und musiziert wir mittlerweile von daheim aus. Nicht immer ist dies einfach. Als Band, die ihre Entscheide im Kollektiv fällt, kämpft Al Pride auch hier gegen die Grenzen und die durch das Coronavirus aufgezwungene Distanz. «Wir arbeiten als Kollektiv, verstehen unsere Musik als Kollektiv und fällen unsere Entscheidungen als Kollektiv. Dieser Prozess ist extrem wichtig und funktioniert nun mal eben am besten, wenn man einander sehr nahe ist und sich alle im selben Raum aufhalten», sagt Schulthess.
Auch die ins Wasser gefallene Tournee durch die Schweiz und Deutschland muss verschmerzt werden, schwer wiegt die Ungewissheit. Sicher Geglaubtes ist auf einmal weg. Doch selbst wenn der Schock am Anfang gross war, hat sich die Band mittlerweile mit der Situation abgefunden.
«Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, es sei keine Enttäuschung da. Das Konzept einer achtköpfigen Band ist im ökonomischen und organisatorischen Sinn etwas grob Fahrlässiges, das zeigt sich speziell jetzt. Aber wir haben einfach Bock darauf, gemeinsam Musik zu machen und können es uns anders nicht vorstellen», sagt Schulthess.
Ein Fichtenbier als Ergänzung zur EP
Damit auch die vier neusten Songs nicht allein daherkommen müssen, gibt es «Spruce» in flüssiger Version: Ein Fichtenbier soll die perfekte Ergänzung zur EP sein. Eine Schnapsidee? Keineswegs. Weil die Braufabrik Baden nur vierzehn Meter vom Proberaum entfernt liegt, entstand eine enge Beziehung. «Die Brauerei wurde schnell eine attraktive Destination für die Zeit nach unseren Proben. Wir haben uns so extrem in dieses Bier ‹verluegt›, es ist einfach unglaublich gut. Da war die Zusammenarbeit die logische Konsequenz», sagt Schulthess lachend.
Ursprünglich geplant war der Verkauf an den Konzerten. Nun wird das Bier über die Website der Band vertrieben und durch die Bandmitglieder geliefert. Natürlich «unter Einhaltung der Hygiene- und Vorsichtsmassnahmen», wie Schulthess anmerkt. Angst, dass EP und Bier in der aussergewöhnlichen Zeit gleichermassen untergehen, hat er kaum. «Die Bedenken haben wir schon und sie sind auch berechtigt. Aber es war uns wichtig, wieder eine Duftmarke zu setzen und etwas herauszubringen, das unseren jetzigen Stand repräsentiert. Für uns ist das wie eine Befreiung», sagt Schulthess.
Was nach dieser übrig bleibt, ist die Vorfreude auf das für August eingeplante Album «Sweet Roller». Der Blick nach vorne. Und der zurück. In Zeiten wie diesen schadet es nie, sich an die schönen Seiten des Bandelebens zu erinnern. Für Schulthess sind die prägendsten Momente stets die, in denen sich die Band trotz den Strapazen der vergangenen Tage dazu entscheidet, von vorne aufzufangen und sich einem neuen Projekt zu widmen. Die Abende, in denen er in einem vollen Konzertsaal auf all die Köpfe unter ihm blicken kann. Wenn Al Pride wieder Grenzen verwischt und mit bebenden Rhythmen Mauern einreisst.