Lieb doch wen du willst

Warum der SC Kriens der beste Verein der Challenge League ist. Und der Rest bei genauerer Betrachtung eigentlich auch nicht schlecht ist.

Es gibt Fragen, die man sich in der unfairen Fussballwelt immer wieder stellt. Wenn man wieder einmal über die guten alten Zeiten sinniert, den alltäglichen Wahnsinn des Profifussballs zu spüren bekommt. Eine davon sind eigentlich gleich zwei: Warum der FCL? Warum nicht Kriens?  

Schon seit Jahren wirkt der kleine Bruder aus dem Vorort attraktiver und vernünftiger als das grosse Vorbild aus der Stadt. Schon seit Jahren ist es aber genau dieser grosse FCL, der die ganze Aufmerksamkeit des Einzugsgebiets auf sich zieht. Obwohl sich die Partien der beiden Vereine am vergangenen Spieltag nicht in die Quere kommen, sind nur 1400 Zuschauer präsent, als der grosse Ligakrösus aus Lausanne am Samstagabend im Kleinfeld gastiert. Die meisten Sitzplätze wirken verwaist, auf den Rängen ist eher wenig los.

Als wir in der Kälte auf die Mannschaften warten, sticht mir dafür meine Eintrittskarte ins Auge. Anders als die zumeist eher langweiligen Tickets hat dieses hier nämlich mehr zu bieten, als nur die Details zur Partie oder den niedergedruckten Preis, den man nach der Bezahlung eher gerne ignoriert.

«Fans sollen Eintritt bezahlen und den Mund halten. Das sagen Klubbesitzer. Deshalb haben wir keinen. Den der SC Kriens gehört den Fans. Gehört Dir! Mach mit beim 12. Mann. Mit Dir sind wir stärker», steht da. Klare Worte auf weissem Papier.

Einmal mehr wird deutlich: Beim SC Kriens läuft alles irgendwie ein bisschen anders. Das fängt nur schon beim Ticketkauf an, der komplett in der analogen Welt abgewickelt wird. Wer sich die Heimspiele der Mannschaft unbedingt ansehen will, der kommt eben ein bisschen früher vorbei. Hat ja früher auch ganz gut geklappt. Klappt auch heute noch. Das endlich ergatterte grüne Stück Papier ist schliesslich eine waschechte Eintrittskarte in Richtung Glück. Den Oldschool-Ticketkauf hin oder her: Gab es schon einmal eine Person, die das Kleinfeld traurig verlassen musste?

Wer das kompakte Stadion betritt, findet sich im vielleicht schönsten Wohnzimmer der Fussballschweiz wieder. In einer Stätte, für welche die genau die richtige Mischung zwischen Modernität und Romantik gefunden wurde. Die an jedem Spieltag herausgeputzt und unerschütterlich inmitten von Altersheimen oder Wohnhäusern steht. Wie ihr Verein kaum Aufmerksamkeit erregt und trotzdem in Sachen Liebenswürdigkeit keine Vergleiche scheuen muss.

Das neue Kleinfeld und sein Verein haben den wertvollen Charme, welcher der Super League schon lange abhandengekommen ist. Der kleine FCL-Bruder ist authentisch. Selbst bei der Suche nach einem Stadionwart heben sich die Chrienser vom Rest ab. Was dieser mitbringen muss? «Einfühlungsvermögen sowie soziale Kompetenz im Umgang mit Stadionbesucherinnen und Besuchern, unseren Mannschaften und Stadiongästen», so der exakte Wortlaut im Stelleninserat.

So werden dann selbst die Gästefans behandelt als seien es die eigenen. Egal ob Wünsche für eine gute Heimfahrt, ein kostenloser Snack oder sonstige Rundumbetreuung. Es sind die Kleinigkeiten, die zählen. Die den Verein gross machen. In Kriens weiss man immer, was einem erwartet und was man bekommt. Aber auch, was nicht funktioniert. Superstars kann man sich hier keine leisten. Wer zwölfter Mann ist, der bezahlt jährlich gerade einmal 99 Franken an den Verein. Wenn wir diese mit den heute anwesenden 1400 Zuschauern multiplizieren, dann landen wir bei einer Zahl, deren Erwähnung sich nicht einmal lohnt.

In Kriens werden wohl nicht nur deswegen nie die ganz grossen Namen auf dem Rasen stehen. Heute sind es Lehrer oder Versicherungsberater, morgen vielleicht Bäcker oder Verkäufer. Dafür hat hier die Kälte des professionellen Fussballs kaum Platz. Falls doch, dann dürfte Aasumah Abubakar sie wegwirbeln. Der Portugiese, der schon für Willem II oder den MVV Maastricht tätig war, bringt etwas Glamour ins Kleinfeld. Die Spitzigkeit, die der Mannschaft allzu oft fehlte. Das blasse Lausanne spielt er in der Dezemberkälte zeitweise schwindlig. NikolaBoranijasevic und Noah Loosli lässt er mehrmals ins Leere laufen, bis endlich das wohlverdiente 1:1 fällt.

Kriens weiss meistens, wo es hingehört. Doch an diesem Abend will es über sich hinauswachsen. Für einmal mehr als nur den ihm zugeteilten Platz. Schon von Anfang an. Und noch mehr, als es an den drei Punkten schnuppern darf. Nach dem Treffer von Omer Dzonlagic wird sogar Speaker etwas übermütig. «Lasst uns die Mannschaft zum Sieg zwingen», ruft er. Allerdings ohne genau zu verraten, wie er das denn gerne anstellen will.

Doch auch ohne eine genaue Anleitung scheinen seine Worte zu wirken, selbst wenn die gar kleine Fankurve der Heimmannschaft gegen die mitgereisten und lauten Lausanner einen schweren Stand hat. Lange kann Kriens mithalten. Bis sich letztlich auch die Akteure auf dem Platz ergeben müssen. Als Dan Ndoye kurz vor Schluss den Sieg des Gästeteams besiegelt, hat man einmal mehr das ungute Gefühl, dass die Krienser nie wirklich das bekommen, was sie eigentlich verdient hätten.

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FC Lausanne-Sport

Warum man den Verein mögen muss: Als Fan kann ich diese Frage schlecht beantworten. Manchmal weiss ich selbst nicht, warum ich diesen Haufen überhaupt mag. Meist ist es dieser furchtbare Masochismus. Nun ist es wohl die Freude über den Hollywood-Kitsch einer durchschaubaren Saison. Der Stolz auf die Eigengewächse, die Hoffnung auf das Anknüpfen an die alten Erfolge. Und irgendetwas mit Nostalgie.

Andere Kunden kauften auch: FC Kaiserslautern, Ajax Amsterdam. Ein grosses Auffangbecken für die viele Tränen.

GC

Warum man den Verein mögen muss: Wenn du nicht gerade Stefan N. heisst, fällt mir eigentlich kein Grund ein, warum du diesen Verein nicht mögen dürftest. Wie bei Lausanne sind Nostalgiker und  Romantiker hier am richtigen Ort. Du hängst gerne in der Vergangenheit herum und Erfolge machen dir eher Angst? It’s a match.

Andere Kunden kauften auch: Pyrotechnik. Im Warenkorb liegt bereits der Chemnitzer FC.

FC Wil

Warum man den Verein mögen muss: Der FC Wil ist gleichzeitig furchtbar langweilig und einigermassen wahnsinnig gut. Hier bekommt man noch echten und guten Fussball ohne allzu grosses Drama. Meistens zumindest. Der mit Abstand grösste Pluspunkt? Der Trainer.

Andere Kunden kauften auch: FC Kaiserslautern (siehe oben).

FC Winterthur:

Warum man den Verein mögen muss: Die Schützenwiese? Wunderbar. Das Bier? Noch besser. Der Verein? Fast wie St. Pauli – nur für Menschen mit mehr Geschmack. In und für Winti wurde die Vermischung zwischen Politik und Fussball erfunden.

Andere Kunden kauften auch: Das Kapital, St. Pauli (in betrunkenem Zustand), Rayo Vallecano.

FC Vaduz

Warum man den Verein mögen muss: Auch nach einem ganzen Arbeitsjahr in Liechtenstein hat sich mir leider noch immer nicht erschlossen, warum man dieses Land oder dessen „Hauptstadt“ mögen könnte. Dafür ist der Verein selbst ziemlich liebenswert. Das Rheinpark Stadion bietet die beste Aussicht ever. Auswärtsspiele in Vaduz? Mühsam, aber lohnenswert. Und lasst uns bitte Ruth Ospelt niemals vergessen!

Andere Kunden kauften auch: Eine Rolex in der Innenstadt. Feinste Schokolade im Café Wanger.

FC Aarau:

Warum man den Verein mögen muss: Wenn Lausanne Hollywood ist, dann ist der FCA Bollywood. Ständig ist etwas los, ein gewisser Stefan Maierhofer kann einfach nicht seine Klappe halten und irgendwann tanzen dann doch alle halbnackt in der Kabine herum.

Andere Kunden kauften auch: Dieser gewisse Verein, der vom unabsteigbaren Dino zu einem Idiotenhaufen wurde, der einfach nicht mehr aufsteigen kann. Naja, ihr wisst schon.

FC Stade Lausanne-Ouchy

Warum man den Verein mögen muss: Der Aufsteiger ist für alle da, denen der grosse Bruder aus dem anderen Stadtteil zu bürgerlich ist. Wer zusätzlich gerne nach Nyon fährt und aufgrund fehlender Gastfreundschaft keine Heimspiele mag, der hat wohl hiermit seinen Verein gefunden.

Andere Kunden kauften auch: Stade Nyonnais (mit Rückgaberecht).

FC Schaffhausen

Warum man den Verein mögen muss: Eigentlich fallen einem nur Gründe ein, warum man sich diesem Verein nicht anschliessen sollte. Wer aus unerklärlichen Gründen allerdings Sexismus, Murat Yakin oder komische Dialekte mag, ist hier bestens bedient.  

Andere Kunden kauften auch: Geschmacklose Spruchbänder.

FC Chiasso

Warum man den Verein mögen muss: Chiasso ist von allen zehn Vereinen der Challenge League der zähste Brocken. Der Verein hat das, was dem HSV oder dem FCA das Leben schon vor Jahren einfacher gemacht hätte. Er. Kann. Einfach. Nicht. Absteigen. Und ist damit schon jetzt legendär.

Andere Kunden kauften auch: Sitzfleisch.

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