Quo vadis, Xhaka?

Für den richtigen Umgang mit Granit Xhaka gibt es kein Patentrezept. Es ist ein Fall ohne Sieger. Wenn Xhaka Arsenal verlassen muss, wäre das einmal mehr ein sehr dunkles Kapitel in einem Buch, das eigentlich gerade neu geschrieben wird.

Granit Xhaka scheint als Kind ein grosser Fan von Schattentheater gewesen zu sein. Immer wieder fiel der 27-Jährige durch seine Gestik auf. Doppeladler, Captainbinden-Weitwurf, provozierende Mimik oder sonstige Verrenkungen. Xhaka hat alles drauf.

Und immer kam er irgendwie damit durch. Schnell wurde ihm alles verziehen. Wie soll man auch anders mit einem Spieler verfahren, dem der Leichtsinn der Jugend so gut steht. Dem der Schelm für alle gut sichtbarins Gesicht geschrieben ist. Seine Freude an diesem wunderbaren Spiel hat viele mitgerissen. Man hätte fast meinen können, er habe nur Freunde. 

Bis er am letzten Wochenende im Spiel gegen Crystal Palace ein wenig zu weit ging und nebst der Kontrolle über seine Gesichtszüge so ziemlich alles verlor. Auf den ersten Blick zumindest. Schnell schlugen die Wellen hoch, bis sie ähnlich schnell wieder verebbten. Bis eine anderer Gedanke sich in den Vordergrund drängte: War es denn nicht viel eher so, dass der Rest der Fussballwelt ein wenig zu weit ging?

Allen voran waren es die selbsternannten Experten, die stets – wie Motten vom Licht angezogen – auf die grosse Bühne treten, sofern ein Spieler es wagt, aus der Reihe zu tanzen. Sie schossen auf Xhaka ein. Einfach, weil sie es nicht anders kennen. Ian Wright, Darren Bent, Peter Crouch. Gerade letztgenannter sollte es doch besser wissen. Sie alle sollten es eigentlich besser wissen.

Alle haben sie zu einer Zeit gespielt, in der Beleidigungen gegen Spieler an der Tagesordnung waren. In der nur Härte zählte, Biss, der eiserne Wille. Bis nichts mehr von einem selbst übrig bleibt. Schwäche konnte damals keiner zeigen. Heute sieht das anders aus. Wir wissen es besser. Es hat sich viel getan. Heute ist nicht mehr die Zeit von Wright oder Crouch. Sie sind Relikte an Spielzeiten, an die wir uns eigentlich gerne erinnern würden. Aber wir wissen es mittlerweile besser. Könnte man meinen.

Denn trotzdem ist der Sport noch immer vergiftet. Auf der grossen Bühne wird der Hass endlich angeprangert. Man spricht Dinge an, die nicht passen, man verändert sie – das überdeckt vieles. Aber in den untersten Ligen müssen sich noch immer gestandene 40-Jährige Männer von Kindern beleidigen lassen.

Es liegt noch viel Arbeit vor uns. Und wenn Fussball nicht mehr das Ventil ist, wenn Emotionen nicht mehr eine Konsequenz der Geschehnisse auf dem Platz sind, sondern nur noch Hass um des Hasses wegen existiert, dann hat das nichts mehr mit meinem Sport zu tun. Dann ist das grösser als Fussball. Wenn Xhaka all diese schrecklichen Dinge angedroht werden, wer seid ihr dann, über ihn zu richten? Unai Emery hat es getan. Teile seiner Mannschaftskollegen, die Medien. Auf einmal hatte Xhaka keine Freunde mehr. Dabei war er immer das Opfer, nie der Täter.

Und nun steht er nicht im Aufgebot für das Spiel am Samstag gegen Wolverhampton – es ist ein schlechtes Zeichen. Wenn Xhaka womöglich gar gehen muss, wäre das einmal mehr ein sehr dunkles Kapitel in einem Buch, das eigentlich gerade neu geschrieben wird. Es wirft ein schlechtes Licht auf dieses schöne Spiel. Nicht auf Xhaka, nicht auf Emery. Sondern auf die gesamte Fussballwelt, die einmal mehr daran gescheitert ist, den Sport und seine Akteure zu schützen. Wenn alles beim Alten bleibt und Hass seine Berechtigung bekommt, gibt es dann überhaupt einen Sieger? Und falls nein, wer hat dann überhaupt verloren? Du dich, Xhaka? Ich mich? Oder wir uns?

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