Text: Larissa Gassmann, Aargauer Zeitung, 25. Februar 2020
Die Radballer des VCR Möhlin, die dank einer Wildcard für einmal bei den ganz Grossen mitspielen dürfen, können im Weltcup Final nicht ganz mit der Elite mithalten – unterhaltsam ist das trotzdem.
Unaufhaltsam brettert Stefan Lützelschwab auf seinem Rad auf seinen Gegner zu. Als die beiden Drahtesel aufeinandertreffen, erklingt ein lauter Knall. Verbissen kämpfen die beiden Radballer um den sich zwischen ihren Gefährten befindenden Ball. Kreisklasse gegen Champions League heisst es, wenn Lützelschwab und sein Mitspieler Nick Metzger gegen die beiden Gäste aus dem deutschen Waldrems zu bestehen versuchen.
Dass die beiden Fahrer ansonsten in der NLB antreten, ist dem Spiel anzumerken. Die Zeit rinnt den Gastgebern durch die Speichen, die Gesichtsausdrücke werden immer verhärteter. Nur noch eine Minute bleibt dem Team, das zu diesem Zeitpunkt bereits 2:8 hinten liegt. Als letztlich auch noch das 2:9 fällt, geht ein Raunen durch das Publikum. Der Lokalmatador ist bezwungen.
Schon in der Auftaktpartie des Tages werden die Fahrer des VCR Möhlin, der mit einer Veranstalter-Wildcard am UCI World Cup Final teilnehmen darf, nicht geschont. Mit dem RC Höchst wartet der amtierende Welt- und Europameister auf die beiden Aargauer Metzger und Lützelschwab. Nur ein Tor dürfen die beiden Underdogs erzielen, dafür ganze neuen an der Zahl kassieren. Ähnlich sieht es im zweiten Spiel aus, das ebenfalls verloren geht – wenn auch weniger deutlich.
Die Gäste spielen in einer anderen Liga
Trotzdem bleiben die beiden dezimierten Rad- und Ballsportler zuversichtlich. Von Enttäuschung keine Spur. «Wir haben viele Halbzeiten gut gespielt. Aber irgendwann bemerkt man den Unterschied halt doch», sagt Metzger. Dass gerade das Team Höchst in einer anderen Liga spielt, wird an diesem Nachmittag schliesslich mehrmals bewiesen.
Auch Altdorf, das nebst Gastgeber Möhlin zu den Publikumslieblingen gehört und gar einen eigenen Fanblock stellt, wird gnadenlos überrollt. Die Gäste aus dem Ausland gehören zu den Favoriten. Auch, wenn es um die Motzerei geht. Die deutsche Mannschaft aus Obernfeld flucht öfter, als sie trifft, ein Foul jagt das nächste. Dazwischen werden geschickt ein paar schneidige Wendemanöver gestreut. Und dann wieder Schimpfworte. Das entlockt dem Publikum mehrere Lacher. Und wechselweise spottende Worte.
Deutschland gegen das starke Altdorf – da kennt man nur einen Favoriten. Überhaupt sind die Zuschauer immer voll mit dabei. So sehr, dass manch einer jedes einzelne Resultat penibel in das Matchheftchen nachträgt, um ja zu wissen, welche Mannschaft wo steht. Ob des Andrangs begeistert zeigt sich auch der OK-Präsident Freddy Soder. «Ich bin überwältigt. Ich hätte nie gedacht, dass wir am Nachmittag schon mit so vielen Leuten rechnen dürfen», sagt er mit Blick auf die fast gefüllte Steinlihalle.
Diese ist vom ersten bis zum letzten Spiel auf Seiten der Gastgeber. Auch, als Möhlin die Härte der Obernfelder im letzten Gruppenspiel des Tages zu spüren bekommt. Am Ende steht es 11:3 – Wahnsinn. So oder ähnlich fühlt sich auch der Auftritt auf der für einmal grossen Bühne an. «Gegen den aktuellen Weltmeister zu spielen war schon ein Highlight», sagt Lützelschwab. Dies sieht auch Metzger so, selbst wenn er eigentlich den ganzen Tag nicht missen möchte: «Ich habe zuvor schon gegen den einen oder anderen Gegner gespielt, aber alle auf einmal auf dem Platz zu haben, das ist schon etwas Einmaliges.»
Die wohl schweigsamsten Mannschaftssportler
Am Ende der ersten Runde sind sie alle zufrieden, auch der hitzige Gast muss für einmal nicht schimpfen. Die restlichen Partien der Gruppenphase plätschern nur so vor sich hin. Wenn es keine Schiedsrichterleistung anzuzweifeln gibt, sind die Partien erstaunlich ruhig. Radballspieler die wohl schweigsamsten Mannschaftssportler. Laut wird es erst wieder, als es zum ersten Viermeterschiessen des Tages kommt.
Und natürlich, als Möhlin im Spiel um den neunten Platz die japanischen Gäste vom Platz fegt, den ersten Sieg überhaupt einfährt. Für einmal ist nur Platz für Freude. «Wir konnten jedes Spiel geniessen, hatten doch die eine oder andere Möglichkeit, Spielverderber zu sein», sagt Lützelschwab am Ende des Tages. Auch wenn es letztlich nur für den Trostpreis gereicht hat und die aus Höchst stammenden Österreicher alles abräumen, zollt auch Soder seiner Mannschaft Tribut.
«Wir haben natürlich gewusst, dass es schwierig wird. Sie haben auf diesem Niveau keine Spielpraxis. Aber sie haben das super gemeistert», sagt er. Dass Möhlin letzten Endes doch nicht so unaufhaltsam war, dürfte nach dem gelungenen Turnier wohl schnell vergessen sein.