Unterwegs mit «Elsa hilft»

Text: Larissa Gassmann, Bild: Alessia Gasparini, Regula Dell’Anno-Doppler, Badener Tagblatt, 7. April 2020

Mithilfe der Stadt Baden hat die Stiftung Elsa Benz-von Arx in Zeiten des Coronavirus einen Einkaufsdienst namens «Elsa hilft» ins Leben gerufen. Mit diesem soll Angehörigen der Risikogruppe aus Baden, Ennetbaden, Wettingen und Turgi unter die Arme gegriffen werden.

Mit einem Summen kündigt sich eine neue Nachricht an. Flink öffnet Alessia Gasparini die Nachrichtenapp Telegram. Genaustens wird die empfangene Einkaufsliste studiert. Tomaten, Milch, Eier – alles prägt sich die 24-Jährige genaustens ein. Schon geht es los, die Schuhe werden montiert, die Jacke eilig zugeknöpft. Auf ihrem roten Velo düst sie in Richtung Supermarkt. Zeitnah und exakt muss der Auftrag erfüllt werden, Gasparini befindet sich auf einer wichtigen Mission.

Bereits zum dritten Mal ist die Studentin für «Elsa hilft» unterwegs. Der Einkaufsdienst der Stiftung Elsa Benz-von Arx wurde Ende März in Zusammenarbeit mit der Stadt Baden ins Leben gerufen und soll in Zeiten des Coronavirus Angehörigen der Risikogruppe unter die Arme greifen. Initiiert haben den Dienst Hildegard Hochstrasser, Leiterin des Regionalen Sozialdienst Baden und Regula Dell’Anno-Doppler, Vizeammann und Stadträtin.

Als nach den ersten Schreckensnachrichten immer mehr Solidarität in der Bevölkerung aufkeimte, wurde beiden klar, dass eine Koordination unter der Leitung der Stadt unterstützend wirken kann. Mit tatkräftiger Hilfe der Stadtverwaltung wurde eilig alles Notwendige für eine Telefonzentrale bereitgestellt. Innerhalb von zwei Tagen stand das Konzept, mit Meret Suter und Simone Matter rekrutierte Dell’Anno-Doppler zwei junge Frauen aus ihrem Bekanntenkreis, die bereit waren, sich dem Ganzen anzunehmen und die Anfragen telefonisch entgegenzunehmen.

Elsa ist nie alleine unterwegs

Mit Flyern wurden die Anwohnerinnen und Anwohner von Wettingen, Ennetbaden, Turgi und Baden vor knapp zwei Wochen auf das Angebot aufmerksam gemacht, noch am gleichen Tag trudelten die erste Anrufe herein. Seither steht das Telefon kaum mehr still. Profitieren konnten die beiden 27-Jährigen Frauen bei ihrer Arbeit von den bereits bestehenden Angeboten.

«Die anderen Hilfsdienste leisten ebenfalls eine gute Arbeit. Wir stehen noch immer in Kontakt mit ihnen. Es ist uns wichtig, dass wir sie nicht konkurrieren, sondern gemeinsam das gleiche Ziel verfolgen», sagt Simone Matter. Dass eine Zusammenarbeit wichtiger denn je ist, unterstreicht auch Dell’Anno-Doppler. «Ich bin davon überzeugt, dass wir noch einen langen Atem brauchen werden. Wir müssen so viele Menschen wie möglich erreichen und so viele Angebote wie möglich bereitstellen. Wir wollen unseren Dienst aufrechterhalten, bis der Bundesrat die Massnahmen wieder lockert», sagt sie.

Aus Wettingen, Ennetbaden, Turgi und Baden trudeln Anrufe herein, mittlerweile werden durchschnittlich dreissig Aufträge pro Tag erledigt. Auch die Zahl der Freiwilligen nimmt stets zu. Um alle Telefonate reibungslos abwickeln zu können, wurde das Team in der Zentrale mittlerweile um zwei weitere Personen aufgestockt. Das Projekt heisst zwar «Elsa hilft», aber eigentlich ist Elsa nie alleine. An ihrer Seite sind Alessia, Meret und Simona. Und mit ihnen unzählige weitere anonyme Rädchen im System.

Überall ist Hilfsbereitschaft vorhanden

Letztlich ist das mit dem Helfen keine allzu schwierige Sache. «Jeder kann sich engagieren. Allerdings muss man schon flexibel sein. Es ist ungewohnt, für eine andere Person einkaufen zu gehen», sagt Alessia Gasparini. Überall ist die Hilfsbereitschaft zu spüren. Wo eigentlich alles in sich zusammenbrechen könnte, werden Alltagshelden geboren. «Es ist eine grosse Solidarität zu spüren, auf allen Ebenen. Das tut wahnsinnig gut, auch den Menschen, die anrufen», sagt Stadträtin Dell’Anno-Doppler.

Tomaten, Milch, Eier. Dazwischen beruhigende Worte. Spaghetti, Cola, Knäckebrot. Und ein lieb gemeinter Ratschlag. In der Telefonzentrale drehen sich die Gespräche längst nicht mehr nur um die Einkaufswünsche oder organisatorische Details. «Das Bedürfnis, sich auszutauschen ist gross. Wir probieren, wann immer wie möglicheinen Schwatz abzuhalten, müssen aber auch darauf achten, dass wir die Telefone wieder freigeben können», sagt Simone Matter.

Die jahrelange Einkaufserfahrung ist spürbar

Nicht selten berühren die Einzelschicksale die Helferinnen und Helfer. Doch auch lustige Situationen dürfe nicht fehlen. So rief eine Frau am selben Tag gleich zweimal an – nachdem ihre eigentliche Bestellung schon geliefert wurde, überkam sie am Nachmittag plötzlich der Heisshunger auf ein Dessert.
Auch dieser Wunsch wurde ihr selbstverständlich erfüllt, schliesslich soll der Einkaufsdienst von «Elsa hilft» nicht nur das Grundbedürfnis abdecken.

In der Telefonzentrale von «Elsa hilft» kümmern sich Meret Suter (links) und Simone Matter täglich um die Einkaufswünsche.
In der Zentrale kümmern sich Meret Suter (links) und Simone Matter um die Einkaufswünsche.

Geliefert wird so ziemlich alles, was im Supermarkt verfügbar ist. Die Produktvielfalt widerspiegelt sich in den Einkaufslisten. Nichts überlassen die Bestellenden dabei dem Zufall. «Oft können sie die Farbe der Verpackung genau beschreiben, wissen den exakten Preis. Man spürt die jahrelange Einkaufserfahrung», sagt Matter.

Dennoch müssen ab und an Kompromisse eingegangen werden, nicht alles ist in den Geschäften leicht auffindbar. Das musste auch Alessia Gasparini erfahren. «Ich habe beim Einkaufen schon ein bisschen länger als sonst. Oft weiss ich nicht auf Anhieb, wo sich die gewünschten Waren befinden», sagt Gasparini. So erzählt sie von einem speziellen Salat, den sie nirgends entdecken konnte. Im ersten Moment sorgte dies für Überforderung. Doch auch hier schafft die Telefonzentrale Abhilfe. Über Alternativen zu den gewünschten Produkten tauscht man sich regelmässig aus.WERBUNG

Nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig Anonymität

Letztlich wird keiner alleine gelassen, weder die Helfenden noch die Bestellenden. Die Professionalität des Lieferdienstes wird geschätzt. Ein weiterer Vorteil des Projekts ist die Anonymität. Details zum Einkauf erhält nur der jeweilige Helfer. Elsa urteilt nicht. Weder über die Einkaufswünsche noch über die Personen dahinter.

«Es gibt viele ältere Menschen, die Hemmungen haben, Hilfe anzunehmen. Gerade, wenn sie von einer ihnen vertrauten Person angeboten wird. Oft wird die Annahme der Hilfe dann als eine Art Schwäche angesehen», sagt Dell’Anno-Doppler. Weil das Angebot von einer offiziellen Stelle stammt und durch die Stiftung finanziert wird, bleibt man niemandem etwas schuldig.

Auch das lokale Gewerbe zieht mit: «Elsa hilft» soll möglichst vielen gefährdeten Personen den Gang in die Geschäfte ersparen.
Auch das Gewerbe zieht mit: «Elsa hilft» soll den Gang in die Geschäfte ersparen.

Gleichzeitig will «Elsa hilft» auch die Menschen abholen, welche zu wenig Vertrauen in die im Internet publizierten oder in Supermärkten aufgehängten Hilfsangebote haben. Das Projekt bewegt sich irgendwo zwischen zu viel und zu wenig Anonymität, ist das goldene Mittelmass.

Tag für Tag werden potentielle Ansteckungen verhindert

Dass die Aktion nicht nur deswegen gut ankommt, bekommt auch Alessia Gasparini zu spüren. Bereits zum zweiten Mal ist sie im Auftrag der gleichen Frau unterwegs. Weil Gasparini den ersten Einkauf derart gut erledigt hat, wünschte sich die ältere Dame erneute eine durch die Studentin ausgeführte Bestellung.

Nach knapp einer Stunde ist auch dieser Einkauf erledigt, mit ihrer vollbepackten Tasche ist die 24-Jährige am Zielort angekommen. Weil ein direkter Kontakt zwischen helfender und bestellender Person untersagt ist, werden aus sicherer Entfernung ein paar Worte ausgetauscht. Aus dem Fenster lehnend bedankt sich die alte Dame bei Gasparini, danach wird der Einkauf vorsichtig vor der Haustüre deponiert. Gasparinis Auftrag ist für heute erfüllt. Erneute musste eine gefährdete Person das Haus nicht verlassen. Erneut wurde eine potenzielle Ansteckung verhindert.

Über die Person Elsa Benz-von Arx

„Gerne wäre ich Elsa Benz-von Arx persönlich begegnet. Was hat sie bewegt, welche Persönlichkeit steckt hinter den wenigen Angaben zu ihrem Leben?“, schreibt Hildegard Hochstrasser, Präsidentin der Stiftung.

Die Leiterin des regionalen Sozialdienst Baden zeigt sich für das Projekt „Elsa hilft“ und dessen Skizzierung verantwortlich. Sie ist es auch, die sich auf die Spuren von Elsa Benz-von Arx begeben hat. Die einzige zur Verfügung stehende Quelle ist dabei ein Gesuch um Erwerb des Gemeindebürgerrechtes der Stadt Baden aus dem Jahr 1983. Anhand dieser Quelle wird ersichtlich, dass Elsa Benz-von Arx 1901 in Olten zur Welt kam und dort den Beruf der Modistin erlernte. 

Doch selbst wenn dank ihrem Vermächtnis nicht nur in Zeiten des Coronavirus viel bewegt wird, sind über das weitere Leben von Benz-von Arx kaum Details bekannt. Warum sie nach ihrem Tod eine nach ihr benannte Stiftung gründen liess, bleibt unklar. Prägend dürfte der Verlust ihres Sohnes Hugo gewesen sein, der 1925 zur Welt kam und mit nur 21 Jahren verstarb. Nach ihrer ersten und 1923 vollzogenen Eheschliessung vermählte sie sich in zweiter Ehe mit Oskar Benz. Dieser arbeitete als Buchhalter bei den Städtischen Werken in Baden, wo die Modistin bis zu ihrem Tod 1987 lebte. Ihr Schaffen und die Gründung ihrer Stiftung lassen darauf schliessen, dass Elsa Benz-von Arx eine selbstbewusste und aktive Persönlichkeit war. 

Gleichwohl konnte sie ihren frühen Schicksalsschlag wohl nie ganz vergessen. So verfügte sie, dass behinderte und kranke Personen aus den Bezirken Baden und Brugg durch ihre Stiftung Unterstützung erfahren sollen. Auch Institutionen, welchen den gleichen Zweck verfolgen, sollen durch Zuwendungen gestärkt werden. 

Heute setzt sich der Stiftungsrat aus Hildegard Hochstrasser, Präsidentin und Leiterin des Regionalen Sozialdienstes Baden, Markus Haas, Vizepräsident und Gemeinderat Wettingen sowie Severin Dommann, Aktuar und Leiter des Sozialdienstes der Stadt Brugg zusammen.

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