Killerclowns und Böse Polizisten

Text: Larissa Gassmann, Bild: Michael Würtenberg, Aargauer Zeitung, 12. November 2019

In der Turnhalle in Stilli bei Brugg messen sich im Rahmen der Swiss Championship Wrestling die besten Kämpfer des Landes. Dabei geht es ihnen vor allem um das Zusammenspiel zwischen Gut und Böse und die Gunst des Publikums.

 «We dare you to lose yourself in this carnival of lost souls. Welcome to the freak show» verkündet eine gruselige Stimme. Ein furchterregendes Lachen dröhnt aus den Boxen, gefolgt von rötlichem Blitzlicht. Dann wird «Fluffy, the Clown» angekündet.

Die mit einem Kampfgewicht von acht vermissten ­Kindern angepriesene Horrorgestalt betritt, begleitet von ­seinem irren Zirkusdirektor, die Bühne. Hinter den beiden wird ein vor Angst zuckendes Auge eingeblendet. In der Turnhalle Stilli ist die grosse Anspannung ­spürbar.
Anders als angenommen findet hier nicht eine verspätete Halloweenparty statt.

Zu feiern gibt es vor allem für Fluffy nichts, als sein Konkurrent Kasseem die Halle betritt. Wie der Clown gehört dieser zu den Teilnehmern, die an der Swiss Championship Wrestling ihr Können zeigen. Kaum hat Kasseem den Ring betreten, geht das Spektakel auch schon los. Schläge, Würfe und spektakuläre Hiebe reihen sich nahtlos aneinander. Der Clown ist gefordert, selbst wenn zuvor ein Zuschauer etwas Angst um Kasseem hatte: «Den frisst doch der Clown zum Frühstück.»

Grosse Show auf kleiner Bühne

Dass sich die Wrestler in die Provinz verirrt haben, erstaunt nur auf den ersten Blick. «Der Aargau kam zuvor noch nie wirklich mit Wrestling in Berührung, aber ich kannte den Ort schon, da wir hier oft trainieren», sagt der aus Schwyz stammende Organisator Sascha Schnellmann.

Knapp 50 Zuschauer verfolgen dank ihm gebannt den ungleichen Kampf zwischen Fluffy und Kasseem. Dass der Hype um Wrestling hierzulande nicht einmal annähernd so gross ist wie in den Staaten, stört Schnellmann kaum: «Es kommt immer darauf an, was man daraus macht. Wir sind noch ganz am Anfang, aber man muss auch seine Limite kennen.»

Ähnlich sieht dies der Zürcher Thomas Heri. Der SCW-Heavyweight-Champion übt die Sportart seit 18 Jahren aus. Er erkennt einen Aufwärtstrend, bei seinen Auftritten als Polizist ist das Publikum immer hellwach. «Im Ring bin ich der Böse, man glaubt es kaum, so ein liebes Gesicht wie ich habe», grinst der 46-Jährige. «Es ist immer wieder spannend zu sehen, wie ich die Leute gegen mich aufbringen kann.»

Die zur Rolle passenden Klischees werden erfüllt

Dass es im Wrestling eine klare Trennung zwischen Gut und Böse gibt, wird auch in den nächsten Kämpfen sichtbar. Die verschiedenen Teilnehmer tun alles, um die zu ihrer Rolle passenden Klischees zu erfüllen, oder gar bis aufs Äusserste auszureizen. Mit seinem durch ein Zitat aus Braveheart verzierten Rücken schreitet der Deutsche Patrick Schulz mit einer keine Vergleiche scheuenden Arroganz zum Ring.

Dem Publikum verweigert er den Handschlag, spätestens zu diesem Zeitpunkt sind ihm Pfiffe und Buhrufe sicher. Als er letztlich auch noch den «Gewinner der Herzen», Kurt Simmons, aufs Kreuz legt, hat er den Saal endgültig gegen sich aufgebracht. Nicht nur der Kassierer des Events weiss auf einmal als Provokateur vom Dienst auszuteilen.

Bessere Karten haben dafür die beiden nordischen Kämpfer Skarin und Alvarr. Nicht nur bei der 13-jährigen Sanja Baur, deren Vater Teil des Duos ist, sorgt ihr Auftritt für Begeisterung. «Mein bisheriges Highlight waren die beiden Felle tragenden Kämpfer. Als sie den Raum betreten haben, kam gleich Stimmung auf», sagt die aus Egerkingen stammende Melanie Stutz.

Die ganz Bösen unter den Bösen

Ihr Begleiter hat seinen Favoriten aus ähnlichen Gründen ausgesucht. «Mich faszinieren die verschiedenen Charaktere. Fluffy fand ich sehr spannend», sagt der Würenloser Livio, der erst zum zweiten Mal vor Ort einen Wrestlingkampf verfolgt.

Weil aber vor allem die ganz Bösen unter den Bösen ihre Aufmerksamkeit bekommen sollen, fühlt sich der Moderator nach der Pause dazu verpflichtet, dem Publikum noch einmal neues Leben einzuhauchen. «Es ist nicht verboten, die bösen Jungs und Mädchen auszubuhen. Und keine Angst, die Wrestler werden euch nicht angreifen. Glaube ich zumindest», verkündet er.

Mit Donnergrollen und viel Blitzlichtgewitter

Während der Auftritt von Buck Beaver in seiner grossen Latzhose nicht nur bei den ganz kleinen Zuschauern für Lacher sorgt, tragen die Worte des Moderators vor allem gegen Ende des Abends Wirkung, als sich das Highlight ankündet. Mit Donnergrollen und Blitzlichtgewitter schreitet Deadsaw im wehenden schwarzen Mantel zum Ring. Vom Publikum lässt er sich feiern, bis «Business» von Eminem seine Lobpreisung unterbricht.

Die Zeit von Thomas Heri ist gekommen, der als Marshal T. in Polizeiuniform den Ring betritt. Dass der gewählte Song zu ihm passt, beweist er sofort. «Bringen wir es hinter uns», sagt er trocken. Sofort prasseln die ersten Provokationen auf ihn herab. Davon unbeeindruckt legt Marshal T. los, hebt seinen Schüler in die Luft, lässt ihn auf den Boden des Rings krachen und von einer Ecke in die andere fliegen.

Dessen 120 Kilo Kampfgewicht lässt Boden und Gummiseile gleichermassen verzweifelt knarzen. Obwohl der Officer kein Erbarmen mit seinem Gegner zu haben scheint, macht sich die Mutter von Deadsaw, Zsuzsanna Schenker, keine Sorgen um ihren Sohn. «Für mich ist das Ganze wie eine Zirkusshow», sagt sie.

Alles andere als nur schöne Unterhaltung

Die Dietikerin reist mehrmals pro Monat an die Auftritte ihres Sohnes, der ein genaues Ziel hat: «Er hat grosse Träume, will irgendwann einmal nach Amerika.» Dieses ist am Samstagabend in Stilli weit weg – und zugleich doch spürbar. Mit Oliver Sauter hat es Anfang Jahr ein Schüler von Heri in die Nachwuchsliga geschafft, ähnlich ambitioniert wie er zeigte sich auch das Publikum. Am Ende des Abends schwärmt Organisator Schnellmann von dessen Engagement. «Es waren heute zwar keine tausend Leute hier, aber es war alles besetzt. Für den Aufwand, den wir betrieben haben, ist der Ertrag sensationell.»

Zufrieden dürfte auch Heri sein, der seinen Titel einmal mehr verteidigt hat. Den modernen Gladiatorenkampf hat der polarisierende Officer fast schadenlos überstanden. «Am Ende des Tages spürt man seinen Körper schon, doch durch unsere Falltechnik wird der Schmerz auf das Minimum reduziert», sagt er.

Was den ganzen Abend wie schöne Unterhaltung gewirkt hat, fordert am Ende eben doch seinen Tribut. Eins kann allerdings versichert werden: Nach dem Auftritt von Fluffy wurde kein Kind im Saal als vermisst gemeldet.

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