«Isoliert von der Gesellschaft»: Flüchtling erzählt, warum er sich anzündete

Text: Larissa Gassmann, CH Media, 22. Juli 2020

Am Montagnachmittag zündete sich ein Demonstrant bei einer Protestaktion in Bern selbst an. Laut ihm handelte es sich um eine Verzweiflungstat, weil er in den Iran zurückgeschickt werden soll.

Nur sein Humpeln und mehrere Pflaster an seinem rechten Bein deuten darauf hin, dass ein dramatischer Wochenanfang hinter Behzad Kaikhosravi liegt. Nachdem er sich zuvor am Montagnachmittag aus Protest gegen das Asylregime selbst in Brand gesetzt hatte, wirkt der 34-Jährige fast schon erschreckend gefasst. Gegenüber Tele Bärn erklärt er am Dienstag, warum es dazu kam, dass er sich anlässlich einer Kundgebung vor dem Bundeshaus zu diesem drastischen Schritt entschieden hat. 

So habe er am 10. Juli den Bescheid bekommen, dass er zurück in den Iran muss. Den Druck nicht mehr aushaltend, habe er sich bei der Aktion der Gruppe «Stopp Isolation» das Leben nehmen wollte. 

«Ich kann nicht zurück. Wenn ich im Iran bin, dann werde ich dort zur Todesstrafe verurteilt», sagt er. Als geflüchteter Kurde werde er in seinem Heimatland als politischer Feind angesehen. Um sich dieses Schicksal zu ersparen, habe er sich selbst angezündet. «Ich habe genug von diesem Leben. Seit vier Jahren habe ich meinen Sohn und meine Frau nicht mehr gesehen. Beide sind in Deutschland. Auch das beschäftigt mich sehr.»

Nach der Tat in eine psychiatrische Anstalt gebracht

Als er sich auf dem Bundesplatz befand, habe der 34-Jährige nicht mehr gross nachgedacht und einfach gehandelt. Nach seiner Tat davonrennend, kommen ihm Passanten zu Hilfe. Sie können Schlimmeres verhindern, trotzdem muss der Kurde per Ambulanz ins Spital gefahren werden. Mit Brandverletzungen lediglich am Bein kommt er glimpflich davon. Nach dem kurzen Aufenthalt im Spital wurde Kaikhosravi in eine psychiatrische Anstalt überführt. Dort wird er die nächsten paar Tage verbringen.

Danach wird er wieder ins Rückkehrzentrum in Biel-Bözingen gebracht. Dort wohnt Kaikhosravi nun seit neun Monaten. Die trostlose Situation, aus der es keinen Ausweg zu geben scheint, macht ihm zu schaffen. «In unserem Zentrum ist es dreckig. Fast alles WCs und Duschen sind kaputt, die Lavabos verstopft», sagt er. Zu zweit teilen sich die abgewiesenen Flüchtlinge laut ihm ein Zimmer. In jeder Baracke leben 15 bis 20 Personen, für alle stehen gerade einmal zwei Duschen zur Verfügung. «Wir sind dort isoliert von der Gesellschaft, leben wie in einem Gefängnis», beschreibt der Kurde die Lage vor Ort. 

Die Juso äussert Kritik am Vorgehen

Die vorherrschende Situation in den Rückführungszentren wurde bereits mehrfach kritisiert und war Grund für die Kundgebebung von «Stopp Isolation». Bereits Anfang Juli kam es deswegen zu einem Treffen von Mitgliedern der Gruppe, der Berner Asylbehörden und von Vertretern des Staatssekretariats für Migration (SEM).

Die Berner Asylbehörden stellten damals eine formelle Antwort auf die Forderungen in Aussicht. Diese erfolgte laut Meldung der Nachrichtenagentur SDA am Freitag in Form eines öffentlichen Briefes, den die Sicherheitsdirektion des Kantons Bern an die Gruppe adressiert veröffentlicht hatte. Die für Asylfragen im Kanton Bern verantwortliche Direktion bezeichnete darin die im Frühjahr 2020 in Betrieb genommenen Rückkehrzentren für abgewiesene Asylsuchende als demokratisch legitimiert.

Die dort untergebrachten Personen hätten sich der Pflicht widersetzt, die Schweiz zu verlassen. Dass diese Personen im Heimatland nicht verfolgt würden und daher kein Grund für einen postivien Asylentscheid besteht, hätten die zuständigen Bundesbehörden verbindlich festgestellt.

Mit der Antwort nicht zufrieden ist nicht nur die Gruppe selbst, sondern auch die Organisation «Migrant Solidarity Network» und die JUSO Schweiz. Die Partei zeigt sich nach der Selbstanzündung betroffen und äussert auf Twitter gleichzeitig Kritik an der Medienmitteilung der Sicherheitsdirektion des Kantons Bern.

«Eine solch ignorante Reaktion ist ein Schlag ins Gesicht von Asylsuchenden und all jener Menschen, die sich tagtäglich für die Rechte  einsetzen», lässt sich Nicola Siegrist, Vize-Präsident der JUSO Schweiz, zudem in einer noch am Montag publizierten Stellungnahme zitieren. 

Laut Sicherheitsdirektion ist die Kritik keineswegs gerechtfertigt

Philippe Müller, Sicherheitsdirektor des Kanton Bern, findet die Kritik an den Bedingungen in den Zentren wiederum nicht gerechtfertigt. Es sei nicht das Ziel, es in einem Rückkehrzentrum schön zu haben. Schliesslich würden sich diese Menschen weigern, die Schweiz zu verlassen.

«Ich habe kein Verständnis dafür, wenn man sich darüber beklagt, dass das eigene WC dreckig ist und man dafür bezahlt werden möchte, dass man dieses putzt. Die Leute in den Unterkünften bekommen zudem ein Dach über dem Kopf, Verpflegung, Kleider und eine medizinsiche Versorgung», sagt der FDP-Politiker zu Tele Bärn. Ausserdem müsse man auch im Eigenheim seine Toilette selbst putzen.

Auch die Forderungen der verschiedenen Gruppen kann er nicht nachvollziehen. «Die Lobbyorganisation, welche diese Veranstaltung organisiert hat, möchte, dass man im Gesetz nicht mehr zwischen den Aslysuchenden unterscheidet, die im Heimatland wirklich verfolgt werden und die wir hier aufnehmen und denen, die nicht verfolgt werden. Sie wollen, dass wir alle Asylsuchenden voraussetzunglos aufnehmen», sagt er. Dies sehe das geltende Asylgesetz aber nicht vor.

Mit dieser Antwort geben sich die Demonstranten wiederum nicht zufrieden. Auch Behzad Kaikhosravi will weiter kämpfen. Noch sind in den nächsten zwei Wochen allerdings keine konkreten Aktionen geplant. 

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